Im Freibad bin ich einiges gewohnt: Familien mit Picknickdecken, Teenies mit Bluetooth-Box, Rentner, die morgens und abends ihre Bahnen ziehen, und Kinder, die mit Anlauf vom Beckenrand hüpfen – obwohl sie’s nicht dürfen. 😄
Was ich dabei in den 20 Jahren, in denen ich diesen Beruf ausübe, gelernt habe: Hier kommen alle zusammen. Egal, wie sie ticken, was sie denken, welcher Kultur sie angehören oder wie sie reden. Und genau das macht ein Freibad aus – es ist für alle da. Es gibt klare Regeln für Sicherheit und Respekt, aber keine Vorschrift, wie man politisch drauf sein muss.
Seit 4 Jahren bin ich im Fediverse (also Plattformen wie Mastodon, Sharkey & Co.) aktiv. Zuerst aus dem Wunsch heraus, Teil eines Netzwerks zu sein, das ohne die großen Konzerne auskommt. Primär habe ich mir aber mehr Kommunikation mit anderen gewünscht, als das beispielsweise bei Facebook der Fall war. X bzw. Twitter hatte ich nie genutzt. Der Hintergedanke war: Ideen und Gedanken teilen, nette Menschen kennenlernen. Hier kommt die ungefilterte Timeline – ganz ohne Algorithmen. Finden könnt ihr mich unter dem Handle https://fedihub.space/@lars
Der politische Wandel im Fediverse
Aber – und das muss ich einfach mal loswerden – mir fällt auf, dass im Fediverse zunehmend der Eindruck entsteht, eine bestimmte Meinung sei die einzig richtige. In der Anfangszeit, als das Netzwerk noch klein war, ging es vor allem darum, neue Menschen zu erreichen und einen offenen Austausch zu fördern. Heute dominiert – so mein Eindruck – eine überwiegend linkspolitische Haltung. Das ist per se nicht schlimm. Ich selbst bin keiner, der „gegen alles“ ist oder sich rechts verortet.
Ich sehe mich irgendwo in der Mitte. Weder rechts, noch links – einfach interessiert an fairen Diskussionen. Aber wenn Menschen mit gemäßigteren oder konservativeren Ansichten plötzlich belehrt, ausgegrenzt oder direkt blockiert werden, wird es problematisch.
Denn oft wird Meinungsfreiheit zwar eingefordert – aber nicht wirklich gelebt, sobald es um andere Perspektiven geht. Das merke ich auch bei scheinbar banalen Themen: Stell jemandem im Fediverse eine Frage zu Windows 11, oder sag, dass du ein iPhone nutzt – und du wirst nicht selten direkt zurechtgewiesen oder „aufgeklärt“.
Als Schwimmmeister bin ich wie der Admin einer Fediverse Instanz. Ich bin der Admin der Freibades und ich bestimme die Regeln. Diesen muss man am Eingang zustimmen, wenn nicht kann man wieder nach Hause gehen.
Mein Job als Schwimmmeister ist ganz klar:
- Ich halte die Regeln im Blick (für alle gleich)
- Ich greife ein, wenn jemand andere stört oder gefährdet
- Und ich sorge dafür, dass alle wieder heil aus dem Wasser rauskommen – egal, wie sie ticken.
- kümmere mich um die Technik das alles läuft
- schaue das alle anderen Rahmenbedingungen passen, damit sich jeder wohl fühlt
Warum klappt das im Freibad – aber im Fediverse nicht?
Vielleicht, weil wir online zu schnell vergessen, dass hinter jedem Account ein echter Mensch sitzt. Jemand, der auch mal danebenliegt. Oder anders denkt. Oder einfach mal still mitliest, ohne gleich zu diskutieren.
Ich finde: Das Fediverse hat das Potenzial, ein echter digitaler Marktplatz der Ideen zu sein – frei, offen, unabhängig. Aber dazu gehört auch, dass alle Meinungen Platz haben, nicht nur die, die gerade im Trend liegen. Ich erinnere mich an Beispiele wie Diskussionen über Messenger, „das richtige Betriebssystem“ oder die Vorstellung, dass Mastodon gleichzusetzen sei mit dem gesamten Fediverse.
Das mag für Nerds interessant sein – aber nicht für den Otto-Normal-Nutzer.
Natürlich gibt’s Grenzen: Hass, Hetze, Diskriminierung – das geht gar nicht. Aber unterschiedliche Sichtweisen aushalten? Das gehört zu einer gesunden Plattformkultur dazu. Genauso wie im Freibad mal jemand laut ist, während ein anderer seine Ruhe will. Man findet Kompromisse. Man redet. Man lässt sich leben.
Vielleicht braucht das Fediverse einfach ein bisschen mehr Bademeister-Energie: Weniger erhobene Zeigefinger, mehr Überblick. Weniger Umerziehung, mehr Raum für Vielfalt.
Denn echte Freiheit heißt eben auch, dass du aushältst, wenn jemand anders denkt – ohne ihn gleich zu blockieren oder zurechtzuweisen.
Text: eigene Gedanken
Artikel Bild: ChatGPT
Ebenso erschienen bei Gnulinux.ch